Elterliche Sorge: Voraussetzungen, Übertragung, Sorgerechtsentzug durch gerichtliches Einschreiten im Familienrecht
Elterliche Sorge: Ein Überblick über die Voraussetzungen, Übertragungsmöglichkeiten und gerichtlichen Maßnahmen
Einführung und Bedeutung der elterlichen Sorge
Die elterliche Sorge ist ein absolutes Recht im Sinne von § 823 I BGB, das hauptsächlich dem Wohl des minderjährigen Kindes dient. Eine Verletzung dieses Rechts kann sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen haben. Um zivilrechtliche Ansprüche auf Ersatz geltend zu machen, muss nachgewiesen werden, dass entstandene Kosten durch die Rechtsverletzung adäquat kausal verursacht wurden. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Kosten direkt die sorgeberechtigten Eltern oder die persönlichen Rechte des Kindes betreffen.
Übertragung der elterlichen Sorge an Dritte
Die elterliche Sorge kann zur Wahrnehmung an Dritte wie Pflegeeltern oder Verwandte übertragen werden, wenn die Eltern dazu nicht in der Lage sind. Eingriffe in die elterliche Sorge sind jedoch nur innerhalb der Grenzen von Art. 6 Abs. II S. 2, Abs. III GG und gemäß den §§ 1666 BGB f. erlaubt. Bei staatlichen Eingriffen haben die Eltern Abwehrrechte, da der Staat bei jedem Eingriff die familiären Bindungen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen muss.
Sorgeerklärung und deren Voraussetzungen
Wer die elterliche Sorge ausübt, ergibt sich aus dem Gesetz, durch Erklärung oder gerichtliche Entscheidung. Gemäß Art. 6 II S. 1 GG obliegt die Pflege und Erziehung des Kindes in erster Linie den Eltern, was als natürliches Recht der Eltern angesehen wird und mit entsprechenden Verpflichtungen einhergeht.
Im Idealfall sind die Eltern bei der Geburt des Kindes verheiratet oder haben vorher eine Sorgeerklärung abgegeben. Diese Erklärung ist eine höchstpersönliche, formbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach § 1626d BGB öffentlich beurkundet werden muss. Beurkundende Stelle ist regelmäßig das Jugendamt. Liegt keine solche Erklärung vor, hat zunächst die Mutter das alleinige Sorgerecht.
Regelungen bei Trennung der Eltern
Bei einer Trennung bleibt das gemeinsame Sorgerecht in der Regel bestehen, es sei denn, ein Elternteil beantragt die Übertragung des alleinigen Sorgerechts gemäß § 1671 BGB. Die elterliche Sorge kann nicht einfach per Vereinbarung von einem Elternteil auf den anderen übertragen werden. Hierfür bedarf es eines richterlichen Beschlusses. Dennoch können die Eltern im Rahmen ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, dass das Kind überwiegend von einem Elternteil betreut wird.
Voraussetzungen für die gemeinsame Sorge und gerichtliches Einschreiten
Für die Fortführung des gemeinsamen Sorgerechts ist es entscheidend, dass beide Elternteile sowohl objektiv kooperationsfähig als auch subjektiv kooperationswillig sind. Dies dient dem Ziel, das Kind vor den negativen Auswirkungen elterlicher Streitigkeiten zu schützen.
Wenn Eltern keine Einigung über wichtige Entscheidungen für ihr Kind erzielen können, kann das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis einem Elternteil übertragen. Zu diesen wesentlichen Entscheidungen gehören:
- Aufenthaltsbestimmungsrecht des Kindes
- Fragen zur Ausbildung des Kindes
- Schulangelegenheiten des Kindes
- Gesundheitsfürsorge des Kindes
- Auslandsaufenthalte des Kindes
- Vermögensangelegenheiten des Kindes
- Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts
- Religiöse Erziehung des Kindes
- Namensgebung des Kindes
Gründe für den Sorgerechtsentzug
Ein Sorgerechtsentzug wird in der Regel bei missbräuchlicher Ausübung der elterlichen Sorge ausgesprochen. Dies kann folgende Fälle umfassen:
- Missachtung der Neigungen und Fähigkeiten des Kindes bei der Ausbildungswahl
- Kindesentziehung oder Kindesentführung
- Missachtung der Schulpflicht aus religiösen Gründen, weltanschaulichen Gründen oder durch Fehleinschätzung der Begabung des Kindes
- Verhinderung notwendiger medizinischer Behandlungen des Kindes
- Umgangsverbot des Kindes auch gegenüber Großeltern oder Geschwistern
- Anstiftung des Kindes zu kriminellen Handlungen oder Prostitution
- Körperliche Züchtigung oder Misshandlung des Kindes
- Unkontrolliertes Verhalten eines Elternteils, das zu erheblichen oder lebensbedrohlichen Verletzungen des Kindes führt
- Dauerhafte Verweigerung des Umgangs mit dem anderen Elternteil
- Erziehungsunfähigkeit der Eltern, begleitet von physischen und psychischen Defiziten des Kindes
- Gefahr der genitalen Verstümmelung des Kindes durch die Eltern
Vernachlässigung als Grund für den Sorgerechtsentzug
Eine schuldhafte Vernachlässigung des Kindes kann ebenfalls zu einem Sorgerechtsentzug führen. Ein Entzug des Sorgerechts ist jedoch nicht angebracht, wenn dem Kind durch andere Maßnahmen wie Familienhilfe geholfen werden kann und die Gefahr damit abgewendet ist. Bereits richterlich anerkannte Vernachlässigungen umfassen:
- Mangelhafte Ernährung des Kindes
- Unzureichende Kleidung und Hygiene des Kindes
- Anhaltende Erkrankungen des Kindes
- Deutlicher Entwicklungsrückstand des Kindes
- Häufiges Schulversäumnis des Kindes
- Nichtwahrnehmung von Arzt- oder Klinikterminen des Kindes
Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB auch bei unverschuldetem Versagen der Eltern
Ein Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB kann auch bei unverschuldetem Versagen der Eltern eingeleitet werden. Typische Beispiele hierfür sind:
- Schwere Traumatisierungen eines Elternteils
- Psychische Erkrankungen eines Elternteils
- Chaotische häusliche Verhältnisse
- Suchtabhängigkeit eines Elternteils
- Duldung von Fehlverhalten des anderen Elternteils
- Seelische Ausnahmezustände eines Elternteils, verbunden mit Suiziddrohungen
- Unterlassen heilpädagogischer und psychiatrischer Behandlungen der Kinder aufgrund eigener Schwierigkeiten der Eltern
Fazit: Es gilt stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Sorgerechtsentzug
Die genannten Beispiele zeigen, dass ein Sorgerechtsentzug immer als letztes Mittel (Ultima Ratio) betrachtet wird und nicht leichtfertig aufgrund der Bequemlichkeit eines Elternteils beschlossen werden kann. Das Familiengericht hat stets ein Ermessen zur Gefahrenabwehr, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss. Die gesamte elterliche Sorge darf nur entzogen werden, wenn mildere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder nicht ausreichen, um die Gefahr abzuwenden.
Bei Fragen zur elterlichen Sorge, berate ich Sie gerne!