OLG Jena: Kein Gutachten bei Umgangskonflikt – Kindeswohl entscheidet über Umgangsrecht

Das Oberlandesgericht (OLG) Jena hat entschieden, dass bei Umgangskonflikten ein psychologisches Gutachten nicht notwendig ist, wenn die Ursache allein im Streit zwischen den Eltern liegt. Im konkreten Fall lehnte das Gericht den Umgangsantrag eines leiblichen Vaters ab, da das Kind in einer stabilen sozialen Familie lebte und der Konflikt zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährdete. Ein Gutachten hätte daran nichts geändert. Laut § 163 FamFG liegt die Einholung eines Gutachtens im Ermessen des Gerichts und ist nur erforderlich, wenn es zur Sachverhaltsaufklärung nötig ist. Eltern wird geraten, sich auf das Kindeswohl zu konzentrieren, Kommunikation zu verbessern, alte Konflikte auszuklammern und das Kind aus dem Streit herauszuhalten.

Elternkonflikte vor Gericht – wann ein Gutachten wirklich notwendig ist

In Umgangsverfahren hoffen viele Elternteile auf ein psychologisches Gutachten, um ihre Sichtweise zu untermauern oder dem anderen Elternteil eine Bindungsintoleranz nachzuweisen. Doch das OLG Jena hat mit einem klaren Beschluss Grenzen gesetzt. Wenn allein der Elternkonflikt ursächlich für Umgangsprobleme ist, braucht es kein Gutachten. Im Mittelpunkt steht das Kindeswohl – nicht der Streit der Erwachsenen.

Der Fall: Umgangsantrag des biologischen Vaters und seine Ablehnung

Im konkreten Fall hatte der leibliche Vater beim Familiengericht Umgang mit seinem Kind beantragt. Das Kind lebte jedoch in einer stabilen sozialen Familie mit Mutter und rechtlichem Vater. Sowohl das Amtsgericht als auch das OLG Jena wiesen den Antrag ab. Der Vater argumentierte, dass ein psychologisches Gutachten notwendig sei, um eine mögliche Beeinflussung durch die Mutter aufzudecken. Doch die Gerichte sahen das anders: Die Konflikte zwischen den Eltern, nicht das Verhalten des Kindes, stünden einer kindeswohlverträglichen Beziehung entgegen.

Warum das Gericht kein Gutachten für erforderlich hielt

Das OLG Jena stellte klar, dass die Kindeswohlgefährdung nicht durch eine ablehnende Haltung des Kindes gegenüber dem Vater entstand. Vielmehr führten die massiven Auseinandersetzungen zwischen den leiblichen Eltern – zu denen auch das Verhalten des Antragstellers zählte – zu einer Destabilisierung des Familienlebens. Ein Gutachten zum Verhältnis zwischen Vater und Kind hätte daran nichts geändert. Entscheidend war nicht die potenzielle Bindung, sondern die Gesamtauswirkungen des Umgangs auf das Wohl des Kindes.

Ermessen des Familiengerichts nach § 163 FamFG

Nach § 163 FamFG liegt die Einholung eines Sachverständigengutachtens im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Das heißt: Nur wenn das Gericht zur vollständigen Aufklärung der Tatsachen auf externe Expertise angewiesen ist, darf oder muss ein Gutachten eingeholt werden. Im vorliegenden Fall konnte das OLG Jena auf Basis der bekannten Umstände – insbesondere des elterlichen Konflikts und der familiären Stabilität des Kindes – entscheiden, ohne auf ein psychologisches Gutachten zurückzugreifen.

Praktische Tipps für Eltern in Umgangskonflikten

Gerade in angespannten Trennungssituationen ist es schwer, Emotionen außen vor zu lassen. Dennoch verlangt das Familiengericht, dass Eltern sich am Kindeswohl orientieren – nicht am eigenen Gerechtigkeitsempfinden. Wenn ein Umgang gerichtlich geregelt oder geprüft wird, können folgende Verhaltensweisen entscheidend dazu beitragen, ein positives Ergebnis zu erzielen oder eine Eskalation zu vermeiden:

Kommunikationsfähigkeit stärken

Auch wenn die Kommunikation mit dem anderen Elternteil schwierig ist: Versuchen Sie, sachlich, lösungsorientiert und möglichst emotionsfrei zu bleiben. Eltern, die selbst in schwierigen Situationen kooperationsbereit auftreten, zeigen dem Gericht, dass sie das Kindeswohl im Blick behalten. Angebote zur Mediation oder Elterncoaching können hier helfen, Kommunikationsmuster zu verbessern.

2. Alte Konflikte ruhen lassen

Vergangene Verletzungen oder partnerschaftliche Auseinandersetzungen sollten nicht in die Umgangsfrage hineinwirken. Die Familiengerichte bewerten nicht die frühere Paarbeziehung, sondern die Erziehungs- und Bindungseignung im Hier und Jetzt. Wer sich von alten Kränkungen leiten lässt, riskiert, dass sein Verhalten als konfliktverschärfend eingestuft wird.

3. Das Kind aus dem Streit heraushalten

Kinder geraten bei Loyalitätskonflikten in psychische Belastung. Vermeiden Sie es, dem Kind negative Informationen über den anderen Elternteil zu vermitteln oder es in Entscheidungen einzubeziehen, die es überfordern. Ein loyalitätsfreier Raum für das Kind ist ein zentrales Kriterium für die Einschätzung des Kindeswohls.

4. Unterstützung annehmen

Niemand muss familiäre Konflikte allein lösen. Beratungsstellen, Jugendämter, Fachanwälte oder Familienberatungen können helfen, Wege zu finden, die die Situation für alle Beteiligten entlasten. Die aktive Inanspruchnahme solcher Angebote zeigt Gerichten auch, dass ein Elternteil bereit ist, an Lösungen zu arbeiten. Kontaktieren Sie gerne meine Kanzlei, wenn Sie Unterstützung in einer ähnlich schwierigen Situation haben.

Zusammenfassung
Das OLG Jena macht deutlich: Ein psychologisches Gutachten wird nicht automatisch eingeholt, wenn Eltern streiten – maßgeblich ist allein das Kindeswohl. Eltern sollten sich daher nicht auf gerichtliche Gutachten verlassen, sondern aktiv an ihrer Kommunikationsfähigkeit arbeiten, alte Konflikte ruhen lassen und das Kind nicht zum Spielball machen. Wer sich um ein konstruktives Miteinander bemüht, handelt nicht nur im Sinne des Gerichts – sondern vor allem im Sinne des eigenen Kindes.

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